Information und Bewusstseinsbildung sind gut, aber für sich allein zu wenig, weswegen es in auf jeder Bezirkshauptmannschaft einen Ansprechpartner für Betroffenen gibt, der Antworten auf deren konkrete Probleme und Konflikte mit dem Biber geben kann.
Ein neues Handbuch, herausgegeben von der Oö. Umweltanwaltschaft informiert daher nicht nur, sondern soll in erster Linie eine praktische Handreichung und ein „Arbeitsbuch“ sein. Wie lebt und tickt der Biber? Welche Konflikte ergeben sich daraus? Was kann ich tun? Was macht Sinn? Aktuelles Wissen aus langjährigen Erfahrungen des Autorenteams wurde zusammengeführt. Das Handbuch setzt sich zudem mit unterschiedlichsten Fragestellungen und Problemfelder im Zusammenleben mit dem Biber auseinander, welche sich auch aus dem Pilotprojekt heraus ergeben haben.
Freilich bleiben dort und da Details offen und es gibt nicht immer „die magische Lösung“. Es gibt aber ehrliche und erprobte Schritte, von der Minderung bis hin zur Lösung der Konflikte im Zusammenleben mit dem Biber.
Mit dem Pilotprojekt „Regionales Bibermanagement“ zeigt die Oö. Umweltanwaltschaft mit tatkräftiger Unterstützung unterschiedlichster Fachexperten und in Zusammenarbeit mit dem Gewässerbezirk Braunau klar und deutlich auf, wie ein zeitgemäßer und rechtskonformer Umgang zwischen Mensch und Biber (= Management) gelingen kann. Eine solche Vorgehensweise ist ganz im Sinne der hochaktuellen EuGH-Rechtsprechung zum Thema finnische Wolfsjagd (Urteil C-674/17 vom 10.10.2019).
Leben und leben lassen! Ein Grundsatz, an dem sich das Biber-Handbuch und das Regionale Biber-Management orientieren, abseits der Hüftschüsse und Scheinlösungen, wie dem „Abknallen“ von rasch als „Problemtieren“ identifizierten Geschöpfen.
Die Oö. Umweltanwaltschaft hat in den vergangenen zwei Jahren zwei Projekte zum Thema „Biber“ vorangetrieben und abgeschlossen:
Mit dem Biber leben! – Regionales Bibermanagement
Mit dem Biber leben! – Ein Handbuch für Oberösterreich
Die Ergebnisse dieser Projekte wurden der interessierten Öffentlichkeit im Rahmen der Fachtagung „Mit dem Biber leben!“ im November 2019 im Schlossmuseum Linz präsentiert und die Unterlagen in der Folge auf der Homepage der Oö. Umweltanwaltschaft allgemein zur Verfügung gestellt.
Der Biber ist ein Überlebenskünstler. Er erhebt Anspruch auf Lebensraum (wie sonst nur der Mensch) und gehört auch (wieder) zu unserer Landschaft! Er ist imstande, Gewässer und deren Umland seinen Bedürfnissen entsprechend zu verändern. Als „Lebensraumgestalter“ und „Ökoingenieur“ ist er in der Lage, hochwertige Feuchtflächen und renaturierte Gewässer herzustellen, die sich mit gewässerökologischen Zielen decken. Eine verbesserte Wasserretention kann auch dazu beitragen, das Abflussgeschehen gegenüber Extremereignissen (Hochwässer, lange Trockenwetterperioden) besser abzupuffern – und das Ganze kostenlos.
Wo (intensive) Nutzungen bis ans Gewässer reichen, sind aber auch Nutzungskonflikte vorprogrammiert.
Damit jedoch ein möglichst konfliktfreies Miteinander von Mensch und Biber gelingen kann, benötigt es umfassendes Wissen:
„Wie tickt der Biber?“ – Wissen, das betroffene Grundbesitzer und Infrastrukturbetreiber in die Lage versetzt, ihr Eigentum vor dem Tier zu schützen = Kenntnis der Biologie des Bibers
„Wie geht man mit dem Biber (rechtskonform) um?“ – Wissen, das Betroffene bis hin zu Behördenvertretern zu einem zeitgemäßen und rechtskonformen Umgang mit dem Tier befähigt = Kenntnis der rechtlichen Möglichkeiten im Umgang mit dem Biber
Das Regionale Bibermanagement und das Handbuch „Mit dem Biber leben!“ zielen aber nicht nur auf Naturschützer, Wasserbauern und Infrastrukturbetreiber ab, sondern sind eine aktive Unterstützung der vom Biber betroffenen Bewirtschafter von land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Genau diese Zielgruppe wollen wir nicht „im Regen stehen lassen“.
Der Biber stellt eine europaweit geschützte Art nach Anhang II und IV der FFHRichtlinie dar (RL 92/43/EWG). Ausnahmen von den strengen Schutzbestimmungen sind im Einzelfall nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese Tatsache wird durch die hochaktuelle Rechtsprechung des EuGH zum Thema finnische Wolfsjagd (Urteil C-674/17 vom 10.10.2019) untermauert. In diesem Urteil betont der EuGH, dass vor behördlichen Abschusserlaubnissen alle verfügbaren Alternativen zur Entnahme geprüft werden müssen. Zudem muss mit wissenschaftlichen Daten fundiert untermauert werden, dass Tötungen wirklich zum Erreichen des formulierten Ziels führen.
Was hilft eine „Biber-Abschussverordnung“, wenn die Anzahl der erlaubten Tötungen bereits im Frühjahr überschritten, zudem eine solche Verordnung wegen EU-Rechtswidrigkeit binnen weniger Monate aufgehoben wird und außerdem dem Biber eine solche Verordnung ziemlich egal ist?
Es braucht daher zukünftig Managementkonzepte, die im Rahmen der rechtlichen Vorgaben eine effiziente und nachhaltige Gesamtlösung für vom Biber besiedelte Landschaftsräume bieten und dabei den größten gemeinsamen Nenner von Artenschutz und Nutzungsinteressen abbilden.
Die Oö. Umweltanwaltschaft zeigt mit den beiden Projekten neue Wege im Umgang mit Konflikttierarten auf:
- Wege, die unserem Zeitgeist entsprechen
- Wege, die mit EU-Recht im Einklang stehen
- Wege, die der Natur und dem Menschen dienen
Weiterführende Informationen