Landeskorrespondenz
Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner: „Österreichische Lösung stärkt Standort OÖ und bringt Chancengleichheit für heimische Medizinprodukte-Branche“
(Presseaussendung vom 29.8.2019)
Top-Erfolg für den Standort Oberösterreich - unser Bundesland bekommt eine Zertifizierungsagentur für Medizinprodukte: „Seit dem Wegfall der beiden österreichischen Benannten Stellen in den Jahren 2016/17 ist die heimische Medizinprodukte-Branche auf Zertifizierungen durch ausländische Institute angewiesen. Das bedeutet eine massive Verschlechterung für viele Start-ups sowie Klein- und Mittelbetriebe, die durch diesen Standortnachteil im internationalen Wettbewerb zurückzufallen drohen. Darum habe ich die Initiative ergriffen, um gemeinsam mit dem Unternehmen QMD Services eine Zertifizierungsagentur für Österreich nach Oberösterreich zu holen“, erklärt Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner. „Unser Bundesland ist hier einmal mehr Vorreiter in Österreich, was umso wichtiger ist, als es gerade Oberösterreich viele Unternehmen in der Medizin-Branche gibt. Deshalb freue ich mich, dass ich nun in Alpbach die Verhandlungen dazu, die ich im Rahmen der Konferenz der Wirtschafts-Landesräte in Graz im Mai begonnen habe, erfolgreich abschließen und eine österreichische Lösung erreichen konnte“, betont Landesrat Achleitner.
Konkret gibt es eine gemeinsame Lösung, die von den Bundesländern Oberösterreich, Wien, Niederösterreich, Steiermark und Tirol unterstützt wird: Im Juni hat das neu gegründete Unternehmen QMD Services eine Bewerbung als „Benannte Stelle für Medizinprodukte“ eingereicht, wobei die operative Geschäftsstelle in Linz sein wird. „Medizinprodukte sind Erfolgsbeispiele für die heimischen Hochtechnologie-Unternehmen, eine nationale Anlaufstelle ist für die Wirtschaft von enormer Bedeutung“, unterstreicht Landesrat Achleitner.
„Die Medizinprodukte-Branche umfasst in Oberösterreich 60 Unternehmen mit rund 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese Unternehmen erzielen insgesamt einen Umsatz von 2,6 Milliarden Euro pro Jahr“, verweist Landesrat Achleitner auf die Bedeutung dieser Branche in unserem Bundesland.
„Die Benannte Stelle bietet für Österreich eine große Chance, in dem so wichtigen Feld der Medizintechnik noch stärker zu werden. Zudem ist sie ein großer Schritt für alle oberösterreichischen Unternehmen in dieser Branche, die innovative Produkte nun noch schneller auf den Markt bringen können“, erklärt Axel Kühner, CEO Greiner AG und Beiratssprecher des Medizintechnik-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria.
Von der App bis zum Hüftgelenk
Grob geschätzt gibt es allein in der EU über 500.000 Medizinprodukte. Die Palette ist breit gefächert und reicht von Apps für Smartphones bis zu künstlichen Gliedmaßen. Die Hilfsmittel bilden einen fixen Bestandteil des täglichen Lebens und einen wesentlichen Grundpfeiler der modernen Medizin. Wie kaum in einer anderen Branche gibt es bei den Produkten massive und permanente Veränderungen. „Etablierte Unternehmen aber auch Start-up-Firmen haben in Oberösterreich ideale Rahmenbedingungen, um Innovationen erfolgreich umzusetzen zu können. Wissen und Know-how wird durch Ausbildungszentren wie die FH-Linz sowie durch die JKU, insbesondere dem Kepler Universitätsklinikum, zur Verfügung gestellt. Entwicklungs- und Fertigungstechnologie ist durch Vernetzung der Unternehmen mit starker Unterstützung des Medizintechnik-Clusters der oö. Standortagentur Business Upper Austria gesichert. Um ein neues, innovatives Medizinprodukt zu entwickeln, zu fertigen und am Markt zu platzieren, müssen einige Hürden überwunden werden. Medizinproduktehersteller brauchen eine Konformitätsfeststellung einer ‚Benannten Stelle‘. Nachdem es derzeit in Österreich keine derartige Einrichtung gibt, müssen Unternehmen im Ausland ‚um Audienz‘ ersuchen. Eine heimische ‚Benannte Stelle‘ soll hier Abhilfe schaffen“, erklärt Landesrat Achleitner.
Europaweiter Engpass
Ab 26. Mai 2020 gilt die neue EU-Medizinprodukteverordnung (MDR). Allerdings fehlen bisher die regulatorischen Rahmenbedingungen, die die Medizinproduktebranche braucht, um die neuen Vorgaben auch erfüllen zu können. In der EU sind von 57 bestehenden Stellen erst zwei Stellen nach der MDR neu benannt. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass es nicht mehr als zwölf Benannte Stellen bis zum Ende des Jahres, fünf Monate vor Ablauf der Frist, geben wird. Daraus resultieren massive Probleme: Bei den bestehenden Benannten Stellen „duellieren“ sich die Anfragen österreichischer Klein- und Mittelunternehmen mit Vorlagen der großen, global agierenden, etablierten Medizinproduktehersteller Europas. Erfahrungsgemäß werden bei den benannten Stellen Bestandskunden den Neukunden vorgezogen bzw. werden Großkunden mit Medizinprodukten in niedrigen Risikoklassen den Kleinkunden mit Produkten höherer Klassen vorgezogen. Für die heimische Wirtschaft entstand hier ein Nadelöhr. Diese „Time to market“ ist aber insbesondere für Start-ups existentiell und bedeutsam.
QMD Services wird heimische Anlaufstelle
QMD Services, das im Dezember 2018, neu gegründete Tochter-Unternehmen von Quality Austria, will eine europäische Benannte Stelle nach den neuen Verordnungen (EU) 2017/745 für Medizinprodukte (MDR) und (EU) 2017/746 für In-vitro-Diagnostika (IVDR) werden. „Derzeit gibt es in Österreich keine heimische Benannte Stelle für eine Produktzulassung im Medizinproduktebereich. Wir möchten diesem Defizit entgegentreten und ein wichtiger Partner für die heimische Wirtschaft sein“, sagt Anni Koubek, Geschäftsführerin der QMD Services. Die Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit. Von den mehr als 500.000 derzeit in Europa vertriebenen Medizinprodukten werden voraussichtlich etwa 314.000 die Dienste von Benannten Stellen für die Neuzertifizierung im Rahmen der neuen Verordnung in Anspruch nehmen müssen. Damit ergibt sich auch für die neue benannte Stelle in Österreich ein enormes Marktpotenzial.
Hintergrund: Benannte Stellen
Benannte Stellen (Notified Bodies - NB) sind staatlich autorisierte Zertifizierungsstellen, die Prüfungen bei Konformitätsbewertungen durchführen. NB bewerten die grundlegenden Anforderungen an die Produktbeschaffenheit von Medizinprodukten sowie die Einhaltung der vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren. Nach der vom Hersteller abgegebenen Konformitätserklärung darf die CE-Kennzeichnung an das Produkt angebracht werden. Hersteller von Produkten können die Zertifizierungsstelle innerhalb der EU frei wählen.