Landeskorrespondenz
(Presseaussendung vom 27.9.2019)
Anlässlich des 117. Geburtstags von Leopold Figl am 2. Oktober und des 80-jährigen Gedenkens des Beginns des Zweiten Weltkrieges am 1. September besuchten Bundesratspräsident Karl Bader und Landtagspräsident KommR Viktor Sigl das KZ Mauthausen und die Außenlager Gusen I und Gusen II und gedachten der unzähligen Opfer des Nationalsozialismus.
„Trotz seiner Haft im KZ Mauthausen hat Leopold Figl weiterhin vorwärts geblickt, ohne dabei die Vergangenheit aus den Augen zu verlieren. Die Nationalsozialisten haben diesen großen Österreicher nicht brechen können. Figl hat nach dem Zusammenbruch der NS-Gewaltherrschaft den Samen der Demokratie gesät, aus dem zunächst eine zarte Pflanze und heute ein starker Baum mit festen Wurzeln gewachsen ist. Dieser Baum bedarf aber der regelmäßigen Pflege, er darf nicht sich selbst überlassen werden. Wir dürfen die Demokratie nicht als selbstverständliches Geschenk erachten, sondern als etwas, das wir uns immer wieder neu erarbeiten und manchmal auch erkämpfen müssen. Demokratie ist nicht einfach, sie ist ein komplexes und empfindliches Gebilde und sie kann nicht darauf reduziert werden, alle paar Jahre eine Stimme bei einer Wahl abzugeben“, so Bundesratspräsident Karl Bader.
„Jedes Schicksal steht für sich und erzählt auf seine Weise vom unfassbaren Leid bis hin zur systematischen Ermordung. Diese Verbrechen an der Menschheit haben stattgefunden und verjähren nicht. Wir sind es den Opfern des Nationalsozialismus schuldig, mit historischen Fakten verantwortungsbewusst umzugehen, das Wissen über die Gräueltaten von damals weiterzugeben und das Erinnern wachzuhalten“, so Landtagspräsident KommR Viktor Sigl.
Leopold Figl war selbst beinahe acht Jahre in den Konzentrationslagern Dachau und Mauthausen inhaftiert. Er war der erste österreichische Bundeskanzler nach dem Zweiten Weltkrieg und gilt als Baumeister der Zweiten Republik. In seine Zeit als Außenminister ist auch der Abschluss des Österreichischen Staatsvertrages gefallen. Davor war er einer der schärfsten Gegner des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich. Die Nationalsozialisten steckten ihn für seine unbeugsame Haltung in das KZ und in die Todeszelle.
„Leopold Figl wurde durch seine Erlebnisse zum Befürworter einer Zusammenarbeit verschiedener politischer Lager und zu einem Verfechter der Konsenspolitik. Trotz seiner dramatischen und traumatischen Erfahrungen hat er jenen Optimismus behalten und verbreitet, den Österreich in den schwierigen und entbehrungsreichen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg dringend gebraucht hat“, so Bader und Sigl.
Beim Besuch der KZ-Außenlager Gusen I und Gusen II wurde den unzähligen Opfern, vor allem den ermordeten polnischen Häftlingen gedacht. Als zentrale Botschaft an alle definierten die beiden Präsidenten, dass Vergangenes nicht vergessen wird: „Wir sind täglich gefordert, unser Miteinander stets nach den Maßstäben der Menschlichkeit zu gestalten. Über allem Handeln in Politik und Gesellschaft müssen heute unsere Grundwerte, Toleranz und die Wahrung der Menschenwürde stehen. Das betrifft uns alle – heute und morgen, nicht nur an Gedenktagen. Wir müssen alles tun, damit wir jene Fehlentwicklungen verhindern, die den Aufstieg von Radikalen ermöglichen und ein undemokratisches Regime zulassen.“
Zum Erinnern an Gedenktage gehört auch das Selbstverständnis, unsere Politik als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus in Erinnerung zu rufen und weiter zu entwickeln. „Nie wieder Krieg – dazu stehen wir als demokratisches Land, das in Frieden mit seinen Nachbarn lebt. Wir dürfen nicht vergessen, mit der Europäischen Union in einer Vereinigung zu leben, die seit 60 Jahren Konflikte auf dem Verhandlungstisch und nicht am Kriegsschauplatz austrägt. Nun gilt es, das gemeinsame Europa, das Frieden und starke Demokratien garantiert, voranzutreiben und zu stärken“, so Bader und Sigl abschließend.
Im kommenden Jahr wird es aufgrund 75 Jahre Kriegsende und 65 Jahre Staatsvertrag viele bedeutende Gedenkanlässe geben. Neben Mauthausen zählen unter anderem auch Gusen, Ebensee, Schloss Hartheim und Spital am Pyhrn zu den Gedenkstätten an die Verbrechen des Nationalsozialismus in Oberösterreich.