Industrialisierung

2. Hälfte des 19. Jahrhunderts

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schritt die Industrialisierung immer stärker voran, die das im wesentlichen agrarisch geprägte Land allmählich veränderte. Aber trotz des fortschreitenden Industrialisierungsprozesses war Oberösterreich immer noch vorwiegend ein Agrarland, in dem vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges mehr als die Hälfte der berufstätigen Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft arbeitete.

 

Deutlicher als in der Landwirtschaft zeigte sich im Bereich von Gewerbe und Industrie, dass der Wirtschaftsliberalismus nicht nur Vorteile brachte. So litten beispielsweise viele der in Oberösterreich vorherrschenden kleingewerblichen Betriebe unter den Folgen der 1859 gewährten Gewerbefreiheit und unter der ausländischen Konkurrenz. Zum anderen wirkte sich etwa der Konzentrations- und Rationalisierungsprozess, der durch den Verkauf der den Eisen- und Stahlmarkt beherrschenden Innerberger Hauptgewerkschaft an die Österreichische Creditanstalt im Jahre 1868 eingeleitet und durch die Gründung der Österreichischen Alpinen Montangesellschaft im Jahre 1881 beschleunigt wurde, für die oberösterreichische Eisenindustrie sowie für die von ihr abhängigen Beschäftigten nachteilig aus.

 

Erst kurz vor der Jahrhundertwende setzte ein Aufschwung der Industrie ein. Auf Initiative des Industriellen Josef Werndl waren 1884 in Steyr erstmals verschiedene Stadtteile elektrisch beleuchtet worden. 1897 stellte die neugegründete "Tramway- und Elektrizitätsgesellschaft Linz-Urfahr" die 1880 eröffnete Pferdetramway auf elektrischen Straßenbetrieb um.

 

Der mit Abstand größte Industriebetrieb des Landes war die 1864 von Josef Werndl in Steyr gegründete Waffenfabrik. Auf dem Maschinensektor sind weiters neben der Linzer Schiffswerft und der 1881 in Linz errichteten Lokomotivfabrik Krauß & Co. einige Erzeuger vorwiegend landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte zu erwähnen, so z.B. Pöttinger in Grieskirchen und Epple-Buxbaum in Wels.

 

Das besonders notleidende Messerergewerbe bedurfte gegen Ende des 19. Jahrhunderts öffentlicher Unterstützung. In der exportabhängigen Sensen- und Sichelerzeugung begann ein Konzentrationsprozess auf größere Betriebe mit fabrikmäßiger Produktion, dem alle Mühlviertler Sensenwerke zum Opfer fielen. Die Textilindustrie stellte sich immer mehr auf die maschinelle Verarbeitung von Baumwolle um. Dadurch verstärkte sich der Druck auf die traditionelle, aber technisch rückständige Mühlviertler Leinenweberei. Sie konzentrierte sich auf Fabriken in Haslach, Helfenberg und Lichtenau.

 

Größere und bekannte Firmen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie waren z.B. die Brauerei Zipf, die Kaffeemittelfabriken Adolf J. Titze und Heinrich Franck in Linz sowie die Nährmittelfabriken Franz Fritsch und C. H. Knorr in Wels. Im Aufschwung befand sich die maschinell produzierende Papierindustrie mit großen Fabriken in Nettingsdorf, Steyrermühl, Laakirchen, Obermühl und Lenzing. In der Lederindustrie waren die Fabriken in Rohrbach (Josef Pöschl), Mattighofen (Friedrich Vogl), Wels (Gebrüder Adler und A. Ploberger) und Neumarkt am Hausruck (Wurm) führend. Die größten chemischen Betriebe waren die Sodafabrik in Ebensee (Solvay) und die Zündholzfabrik in Linz (Union bzw. Solo).

 

Oberösterreich bekam auch etwas vom Glanz der mit dem Ende des Ersten Weltkrieges untergegangenen Habsburgermonarchie zu spüren, da Kaiser Franz Joseph I. die Sommermonate alljährlich in seiner Villa in Bad Ischl und im Salzkammergut zubrachte und in seinem Gefolge auch der Hof und das gehobene Bürgertum der Metropolen als Gäste ins Land kamen.