Landeskorrespondenz
(Presseaussendung vom 26.11.2020)
Eine überraschende Wende haben die Vorbereitungen zum AKW-Ausbau in Tschechien genommen. So gab Premierminister Babis diese Woche bekannt, dass das Auswahlverfahren zum Bau eines neuen AKW-Blocks am Standort Dukovany nicht ausreichend vorbereitet ist und die Ausschreibung verschoben werden soll. Die Regierung sollte darüber nicht vor den Parlamentswahlen in 10 Monaten entscheiden. Der Start des Ausschreibungsverfahrens war bis Endes des Jahres geplant.
Zu den potentiellen Bietern gehören die russische Rosatom, China General Nuclear Power, das US-Unternehmen Westinghouse, die französische EDF und das südkoreanische Unternehmen Korea Hydro and Nuclear Power. Mit Baukosten von über 6 Mrd. Euro handelt es sich um das größte Investitionsprojekt in der tschechischen Geschichte.
Ein Grund für die Verschiebung liegt in Unstimmigkeiten über die Einarbeitung von Sicherheitskriterien in die Vergabedokumentation, die vom Betreiber CEZ vorbereitet wurde. Ein Teil der Opposition kritisiert die mögliche Beteiligung von Russland und China am Auswahlverfahren, während der Premier und der Industrieminister aus ökonomischen Gründen im Vorfeld keinen Betreiber ausschließen wollen. Auch der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit des Oberhauses verabschiedete eine Resolution, die Sicherheitsinteressen des Staates ausreichend zu berücksichtigen. Über das Thema soll nun am 9.Dezember der Ständige Ausschuss für den Bau neuer Atomreaktoren verhandeln.
Noch am letzten Freitag hatte Industrieminister Karel Havlicek die Abgeordneten zur Eile aufgefordert. In einer außerordentlichen Sitzung sollte der Gesetzesentwurf über den Übergang der Tschechischen Republik zur Niedrigkohlenstoff- Energiewirtschaft, das die staatliche Förderung von Atomkraft festlegt, im Schnelldurchlauf beschlossen werden. Neben Debatten über die Ausschreibung wurden auch viele Einwände zu den Auswirkungen des Gesetzes auf den Staatshaushalt eingebracht. Es konnte keine Einigung erzielt werden.
LR Kaineder: „Die kritischen Einwände der tschechischen Abgeordneten stimmen mich hoffnungsvoll. Die Unwirtschaftlichkeit der Atomkraft, auf die wir schon viele Jahre hinweisen, muss weiter bewusst gemacht werden. Mit so einem Gesetz blickt Tschechien in die Strompreis-Glaskugel. Niemand weiß wie sich die Preise in den nächsten Jahrzehnten entwickeln, am Ende muss die tschechische Bevölkerung dafür aufkommen. Tschechien würde sich Hals über Kopf in ein wirtschaftlich hochriskantes Projekt stürzen, ohne einen ernsthaften Blick auf die Alternativen durch Erneuerbare Energien zu werfen.“
Das vom Industrieministerium vorbereitete Gesetz enthält den Rahmen für eine großzügige Förderung neuer Atomreaktoren: neben einem zinsfreien Staatskredit geht es vor allem um die Verpflichtung des Staats, dem Betreiber CEZ kostendeckende und mit angemessenem Gewinn ausgestattete Einspeisetarife zu garantieren. Das Gesetz legt dabei keine Obergrenze fest, die Abnahmegarantie würde auf 30 Jahre mit der Möglichkeit zur Verlängerung festgelegt.