Landeskorrespondenz
(Presseaussendung vom 1.3.2021)
Das Vorhaben Tschechiens zum Bau zweier neuer AKW-Blöcke am Standort Temelín wurde - mangels Bereitschaft der Regierung, Staatshilfen für das Projekt zu gewähren - bis auf weiteres eingestellt. Dennoch informierte das tschechische Umweltministerium kürzlich über eine erfolgte Verlängerung des 2013 zeitlich befristet ausgestellten UVP-Standpunktes für weitere fünf Jahre bis 2025. Das Umweltministerium kommt zum Schluss, dass es zu keinen Veränderungen der Beurteilung gekommen ist. Diese Verlängerung stellt eine formale Erledigung der Vorgaben durch den Nationalen Aktionsplan für die Entwicklung der Kernkraft dar, der die Vorarbeiten für vier neue AKW-Blöcke jeweils zwei an den Standorten Temelín und Dukovany vorsieht.
Schon 2013 wurde der nun verlängerte UVP-Standpunkt aufgrund seiner Mängel heftig kritisiert: es wurde kein konkreter Reaktortyp geprüft, die Kernfragen zu Bedarf, der Wirtschaftlichkeit und Sicherheit nicht geklärt, die Auswirkungen der Anlage auf Umwelt und Gesundheit wurden verharmlost – ein Blankoscheck für die Atomindustrie. Mehrere geführte Verfahren zur Aufhebung wurden von den tschechischen Gerichten abschlägig beschieden.
Anti-Atom-Landesrat Stefan Kaineder: „Es ist gelungen, das Projekt für neue Blöcke in Temelín zu stoppen, aber dass die Variante für einen Ausbau in Temelin nicht gänzlich fallen gelassen wurde, zeigt der aktuelle Schritt, den UVP-Standpunkt zu verlängern. Unter wirtschaftlichen Bedingungen kann der Bau neuer Reaktoren nie verwirklicht werden, die Baukosten sind explodiert und die erneuerbaren Energien konkurrenzlos im Vormarsch. Atomkraft ist auch keine Brückentechnologie, hier wird die Energiepolitik bei den geplanten Laufzeiten auf 100 Jahre einzementiert, bei der rasanten Entwicklung der Erneuerbaren schlicht unvorstellbar.“
Aktuell liegt die absolute Priorität auf dem Bau eines neuen Reaktors am Standort Dukovany. Ohne Rücksicht auf die Leistungsbeschränkung für den Standort Dukovany, der sich aus der Kühlwasserverfügbarkeit ergibt, wurde das Projekt für Temelín, nachdem im Jahr 2014 das Bieterverfahren scheiterte, nach Dukovany übertragen. Obwohl die Inbetriebnahme des neuen Blocks im Jahr 2037 kommuniziert wird, sehen dies selbst optimistische Atombefürworter nicht vor den 2040er Jahren als realistisch. Denn nach wie vor gibt es kein Finanzierungskonzept, die Opposition fordert eine Obergrenze für die Preisgarantien und aufgrund von Sicherheitsbedenken den Ausschluss von China und Russland schon im Vorfeld der Ausschreibung.
„Während Entscheidungen zu erneuerbaren Energien verschleppt werden und die Unterstützung auf ein Minimum heruntergefahren wird, versucht man die Atomkraftförderung noch vor den Wahlen im Herbst im Parlament durchzudrücken. In den bereits mehrmals vertagten Verhandlungen muss endlich ans Licht kommen, welche Belastungslawine für die tschechischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler durch die milliardenschweren Staatshilfen droht. Tschechien muss endlich den energiepolitischen Irrweg Atomkraft verlassen und rasch mit der angekündigten Aktualisierung des Energiekonzepts starten. Anstatt eine veraltete Risikotechnologie am Geldtropf am Leben zu erhalten, liegt eine zukunftsfähige Energiewirtschaft im Ausbau der erneuerbaren Energien, so Landesrat Kaineder.
Industrieminister Karel Havlicek hatte versucht, das Gesetz zum Übergang der Tschechischen Republik zur Niedrigkohlenstoff-Energiewirtschaft im Schnelldurchlauf zu beschließen, doch es konnte an zwei Terminen keine Einigung erzielt werden. Die Regierungsvorlage mit dem Spitznamen „Lex Dukovany“ – da darin ausschließlich die Förderung von Atomkraft behandelt wird – könnte am 3. März erneut verhandelt werden.