Landeskorrespondenz
(Presseaussendung vom 15.06.2023)
200 Mio. Euro stehen den österreichischen Gemeinden für Renaturierungsmaßnahmen zur Verfügung
In den 1960er Jahren wurde die Naarn auf Grund der häufigen Überflutungen der Perger Au sowie der hohen Grundwasserstände in ein starres Korsett gezwängt. Hochwässer sollten rasch abgeleitet und die Agrarflächen weitgehend trockengelegt werden, um gut bewirtschaften zu sein. In den darauffolgenden Jahren erkannte man, dass ein derart gelenkter, begradigter Flusslauf neben den Vorteilen für den Hochwasserschutz und für die Landnutzung ebenso seine Kehrseite hatte. Die gestreckte Linienführung, das durchgehend gleichförmige Trapezprofil ließen ein monotones, strukturloses Gerinne entstehen. Das Fehlen intakter Lebensräume hatte zur Folge, dass es zu einer extremen Verarmung an Gewässerorganismen wie Fischen und Kleinlebewesen kam.
Um wieder Leben in den Fluss zu bringen und die Renaturierung der Naarn möglich zu machen, brauchte es neben der EU-Wasserrahmenrichtlinie den 1. Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan, der 2009 in Kraft trat und eine Finanzierungsmöglichkeit für Renaturierungsprojekte gegeben hat. Selbstverständlich braucht es aber auch die Akzeptanz in der Bevölkerung und die Initiative der Bürgermeister:innen und Gemeinderäte, um derartig große und kostenintensive Projekte vorantreiben zu können.
„Das Zwängen unserer Flüsse in enge Korsette war ein großer Fehler in der Vergangenheit, der nun Stück für Stück, wo es möglich ist, beseitigt wird. Am Beispiel der 2017 fertiggestellten Renaturierung an der Naarn sehen wir, wie wertvoll gesunde und lebendige Fließgewässer für eine ganze Region sind und wie vielfältige Ökosystem zurückgekehrt ist. Zudem ist es gelungen, die Naarn auch den Menschen wieder näher zu bringen, indem offene Zugänge für Bade- und Freizeitnutzungen geschaffen wurden“, freut sich Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder über das mit rund 4,2 Mio. Euro finanzierte Vorzeigeprojekt im Machland.
Der Start des ersten Renaturierungsprojektes erfolgte an der Tobrabachmündung. Die Ergebnisse waren so überzeugend und ansteckend, dass weitere Renaturierungsabschnitte folgten: Anbindung der Naarn an den Hüttinger Altarm, Renaturierung Hauswiesen, Renaturierung Kaindlau und schließlich die Renaturierung in Perg-Kickenau. Im Bereich Wagra wurde die Naarn im Zuge der Realisierung des Hochwasserschutzprojektes Machland-Nord auf einer Länge von 2 Kilometer verlegt und so gleichzeitig auch naturnah gestaltet.
All diese Renaturierungsmaßnahmen verfolgen ein gemeinsames Ziel:
Um sich dem guten ökologischen Zustand eines Gewässers anzunähern und die ökologische Funktionsfähigkeit des Flusslebensraumes zu verbessern, ist es notwendig, der Natur bzw. dem Gewässer wieder mehr Raum zu geben. Naturnahe Lebensräume werden geschaffen und die natürliche Dynamik der Fließgewässer mit ihren vielfältigen ökologischen Funktionen wiederhergestellt. Die Umsetzungsmaßnahmen beruhen im Wesentlichen auf der Aufweitung des Gewässerraums wie etwa am Beispiel Kickenau mit bis zu 60 Metern, der Ausgestaltung pendelnder Nieder- und Mittelwasserprofile mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten und Wassertiefen, die durch Schüttungen wie Kiesbänke, Vorländer, Inseln, den Einbau von Raubäumen, Wurzelstöcken sowie den Einbau von Strömungslenkern als Strukturelemente erreicht werden. In fünf Baulosen konnten 2 Kilometer Flusslänge in einen annähernd naturnahen Zustand gebracht werden. Im Zuge der Renaturierung wurden rund 850 Stück Lärchenpfähle und rund 500 Stück Wurzelstöcke verwendet.
Renaturierung Naarn als Musterstück und Vorbild für andere Gemeinden – 200 Millionen Euro im neuen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan
Mittlerweile ist der 3. Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan in Kraft getreten und stellt bis 2027 rund 200 Millionen Euro für die Verbesserung des ökologischen Zustandes der Gewässer in Österreich zur Verfügung.
„Wir nehmen mittlerweile riesige Summen in die Hand, um unsere Fehler aus der Vergangenheit zu beseitigen um die Bevölkerung vor den Gefahren von Überflutungen und Hochwasser zu schützen. Nach den verheerenden Schäden in vielen Orten Oberösterreichs war klar, dass es neben dem Hochwasserschutzprogramm auch ein generelles Umdenken braucht, wie wir mit unseren Gewässern umgehen. Damit kämpfen wir gegen die Auswirkungen der Klimakrise, aber genauso müssen wir uns dem Kampf gegen das Artensterben und für gesunde Ökosysteme widmen. Mit dem umfassenden Paket im neuen Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan bekommen die Gemeinden die Möglichkeit, aktiv im Wiederaufbau von Lebensraum für Natur und Lebewesen mitzuwirken und wer rasch Projekte einreicht, kann bis zu 98 Prozent der Kosten gefördert bekommen.“, so Kaineder.
Mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) haben sich im Jahr 2000 alle europäischen Staaten verpflichtet, einen guten ökologischen Zustand in den Gewässern wiederherzustellen und eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Die Maßnahmenprogramme zur Erreichung dieser Ziele werden im Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan (NGP) festgelegt. Ziel dieses Plans ist einerseits der Schutz und die Verbesserung der Gewässer und andererseits auch deren nachhaltige Nutzung. Er ist ein flussgebiets- bzw. grundwasserkörperbezogenes Planungsinstrument, das alle sechs Jahre überarbeitet wird.
Ausgehend von einer Ist-Zustandserhebung werden Maßnahmen festgelegt, welche die Erreichung und Erhaltung des von der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geforderten „guten ökologischen Zustands“ bzw. „guten ökologischen Potentials“ unter Berücksichtigung verschiedener Interessen bewirken sollen. Für die Maßnahmenfestlegung ist das Kosten-Nutzen-Prinzip bzw. die Prioritätenfestlegung maßgeblich. Der 3. NGP ist nach umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung mit 10. Mai 2022 in Kraft getreten und legt die Maßnahmen zur Erreichung des guten Zustands für die nächsten 6 Jahre fest. Die Umsetzung wird durch umfassende Förderprogramme unterstützt und durch die dazugehörige NGP Verordnung rechtlich verbindlich.
Welche Maßnahmen sind im 3. NGP in OÖ geplant?
In den Gewässerbewirtschaftungsplänen wurden Gewässerstrecken ausgewählt, die eine besonders hohe Sanierungspriorität aufweisen. Diese liegen vor allem an den größeren Flüssen und den Unter- bis Mittelläufen ihrer wichtigsten Zubringer. Während der Fokus der beiden ersten Planungsperioden auf der Wiederherstellung der Längsdurchgängigkeit sowie der Sicherstellung einer ausreichenden Restwasserabgabe lag, setzt der neue NGP einen besonderen Fokus auf die Verbesserung des Lebensraums Gewässer durch Gewässerrenaturierungen in diesen prioritären Sanierungsbereichen. Die Verbesserung der Lebensraumverhältnisse soll die Artenvielfalt in den Gewässern erhöhen und die Widerstandskraft der Lebensgemeinschaften stärken. In Oberösterreich gibt es dafür Potenzial bei rund 200 Gewässerstrecken.
In durch ältere Regulierungen stark verbauten Flussabschnitten sind neben der Herstellung der Fischdurchgängigkeit zur Erreichung des guten ökologischen Zustands/Potentials auch Renaturierungen zur Verbesserung des Gewässerlebensraums erforderlich. In der 3. Planungsperiode (2021-2027) ist daher vorgesehen, an den Unter- und Mittelläufen wichtiger oö. Flüsse, an sogenannten Schwerpunktgewässerstrecken, durch Anpassung von Regulierungen an den Stand der Technik eine sichtbare weitere Verbesserung der Gewässerlebensräume zu erreichen. Dazu wurden nun entlang der Gewässer rund 200 mögliche Sanierungsbereiche für eine Verbesserung der Gewässerlebensräume identifiziert. Kriterien für die Auswahl waren ein günstiges Verhältnis von Machbarkeit, Aufwand und ökologischem Nutzen und die Voraussetzung, dass bestehende höherwertige Nutzungen wie z. B. der Hochwasserschutz von Siedlungsgebieten oder die Infrastruktur entlang von Gewässern nicht beeinträchtigt werden.
Das Maßnahmenset reicht von lokalen Verbesserungen der Flussbettstrukturen im bestehenden Abflussprofil ohne zusätzlichen Flächenbedarf (kleine Maßnahmen), bis zu Aufweitungen und einer Wiederannäherung des Gewässerbetts an den ursprünglichen Flusstyp (mittlere und große Maßnahmen). Herausforderung bei der Umsetzung ist insbesondere die Grundverfügbarkeit, um den Gewässern wieder Raum zur Entwicklung zu geben. Diese Verbesserungen kommen aber nicht nur der Natur zu Gute: wie bereits umgesetzte Beispiele zeigen, entstehen dadurch gleichzeitig auch wertvolle Naherholungsräume für die Bevölkerung, die sehr gerne genutzt werden.
Umfangreiche Fördermöglichkeiten
Gemeinden und Verbände, welche gewässerökologische Maßnahmen durch Anpassung bzw. Renaturierung älterer Flussregulierungen umsetzen möchten, um so an den oö. Schwerpunktgewässerstrecken den guten ökologischen Zustand wiederherzustellen, finden dafür umfangreiche Fördermöglichkeiten vor. Wer rasch Projekte einreicht, kann bis zu 98 Prozent der Kosten im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes (UFG – Gewässerökologie) und des Biodiversitätsfonds gefördert bekommen.
Bilder zum Download
Quelle: Land OÖ/Tina Gerstmair, Verwendung mit Quellenangabe (1,40 MB).
Bildtext: Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder besichtigt die Renaturierung „Hauswiesen“ in Mitterkirchen, wo die Uferböschungen auf ein Länge von 420 Metern und auf einer Breite von 35 Metern abgesenkt wurden, um den Erholungssuchenden einen permanenten Zugang zum Fluss zu ermöglichen.
Quelle: Land OÖ/Tina Gerstmair, Verwendung mit Quellenangabe (1,63 MB).
Bildtext: Wilhelm Somogyi, Projektleiter des erfolgreichen Renaturierungsprojekts an der Naarn (Gewässerbezirk Linz), und Peter Anderwald (Wasserwirtschaftlichen Planung – Land OÖ) im Gespräch mit Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder.
Quelle: Land OÖ/Tina Gerstmair, Verwendung mit Quellenangabe (1,63 MB).
Bildtext: Naturnahe Lebensräume wie diese Sandbank im Projektgebiet Kickenau in Perg sind nur möglich, wenn der Natur und dem Gewässer wieder mehr Raum gegeben wird, ist Umwelt- und Klima-Landesrat Stefan Kaineder überzeugt.