Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegende Dienstzeiten zur Anrechnung von Vordienstzeiten
Der Oö. Landtag hat am 16. Dezember 2010 mit Beschluss des Oö. Landes- und Gemeinde-Dienstrechtsänderungsgesetz die Feststellung des Europäischen Gerichtshofes, dass eine Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf so auszulegen ist, dass die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung benachteiligt werden darf. Die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt ist zu fördern und bei der Festlegung der Dienstaltersstufen von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes darf die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Dienstzeiten nicht ausschließen.
Der Europäische Gerichtshof hat im Fall "Hütter" (Urteil vom 18. Juni 2009, C 88/08) festgestellt, dass "die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufen von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaats die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Dienstzeiten ausschließt". Die Regelung über die Anrechnung von Vordienstzeiten und die vom Dienstalter und damit von der Anrechnung von Vordienstzeiten abhängigen Rechte sind daher zu überarbeiten.
Das Urteil betrifft zwar seinem Wortlaut nach nur die Anrechnung von Dienstzeiten für Vertragsbedienstete, sein Tenor trifft jedoch zweifelsfrei auch auf sonstige Zeiten, die nur ab dem vollendeten 18. Lebensjahr für die Vorrückung berücksichtigt werden - in Betracht kommen vor allem Schul-, Lehr- und Beschäftigungszeiten - zu. Weiters ist davon auszugehen, dass nicht nur die Regelungen für Vertragsbedienstete, sondern auch die weitgehend wortgleichen Regelungen für Beamtinnen und Beamte nicht mit der "Gleichbehandlungsrichtlinie" vereinbar sind.
Der Zweck der geplanten Neuregelung besteht daher darin, sämtliche Regelungen zur Anrechnung von Zeiten vor dem Dienstverhältnis für die Vorrückung bzw. zum "Vorrückungsstichtag" richtlinienkonform zu gestalten. Dabei soll jedoch keine materielle Neuorientierung des gesamten Regelungskomplexes erfolgen, sondern sollen die aus dem geltenden Vorrückungsrecht resultierenden Rechtspositionen soweit wie möglich unverändert belassen werden. Technisch wird diese Zielsetzung dadurch erreicht, dass der Beginn der tatsächlichen oder gedachten Entgeltkarriere nicht an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an einen sachlichen Zeitpunkt geknüpft wird, nämlich an den Tag, an dem nach dem Beginn der allgemeinen Schulpflicht im Sinn des Schulpflichtgesetzes 1985 neun Schuljahre absolviert worden sind oder unter Zugrundelegung einer neunjährigen Schulpflicht absolviert worden wären. Die dadurch zusätzlich zu berücksichtigenden Zeiten betragen in der Durchschnittsbetrachtung drei Jahre. Um zu gewährleisten, dass die für die einzelnen Bediensteten maßgebliche besoldungsrechtliche Stellung nicht verändert wird, wird die Dauer des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungsgruppe erforderlichen Zeitraums um drei Jahre angehoben.
Damit die geltende Rechtsposition in Bezug auf den - unter anderem - ebenfalls von der Vordienstzeitenanrechnung abhängigen Anfall des erhöhten Urlaubsmaßes soweit wie möglich unverändert bleibt und um die finanzielle Belastung, die sich aus einem früheren Anfall des erhöhten Urlaubsausmaßes infolge der Anrechnung von zusätzlichen Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr resultieren würde, zu verhindern, sollen die künftig für die Vorrückung durchschnittlich zusätzlich zu beachtenden Zeiten bei der Berechnung des für den Anfall des erhöhten Urlaubsausmaßes maßgeblichen Dienstalters wiederum in Abzug gebracht werden.
Eben dieses Prinzip soll auch bei der - von der Vordienstzeitenanrechnung abhängigen - Jubiläumszuwendung zur Anwendung kommen: Zur Vermeidung einer finanziellen Belastung, die aus dem früheren Anfall von Jubiläumszuwendungen infolge der zusätzlichen Anrechnung von Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr resultieren würde, bleiben die sich aus der bisherigen Rechtslage ergebenden Anfallstermine für bestehende Bedienstete unverändert.
Das bedingt Änderungen in folgenden Landes- und Gemeinde-Dienstrechtsgesetzen:
- Oö. Landesbeamtengesetz 1993
- Oö. Landes-Vertragsbedienstetengesetz
- Oö. Gehaltsgesetz 2001
- Oö. Landes-Gehaltsgesetz
- Oö. Gemeinde-Dienstrechts- und Gehaltsgesetz 2002
- Oö. Gemeindebedienstetengesetz 2001
- Oö. Statutargemeinden-Beamtengesetz 2002