"Einheitlicher Ansprechpartner" als Informations- und Weiterleitungsstelle für Dienstleistungserbringer aus EU-Mitgliedstaaten und aus Österreich
Der Oö. Landtag hat mit dem Beschluss des Landesgesetzes über den Einheitlichen Ansprechpartner am 29. September 2011 den letzten Teil der Dienstleistungsrichtlinie umgesetzt und damit eine Erleichterung für alle Dienstleistungserbringer aus der EU und aus Österreich beschlossen. Kernstück des Gesetzes ist die Einrichtung eines so genannten "Einheitlichen Ansprechpartners" als zentrale Informations- und Weiterleitungsstelle für Dienstleistungserbringer aus EU-Mitgliedstaaten und aus Österreich. Oberösterreich ist somit das erste Bundesland, das die Dienstleistungsrichtlinie voll umgesetzt hat.
Weiterführende Informationen
Die Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 vom 27.12.2006 S. 36 (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie bildet ein zentrales Element der erneuerten Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung und verfolgt das Ziel, Fortschritte im Hinblick auf einen echten Binnenmarkt für Dienstleistungen zu erreichen, sodass sowohl Unternehmen als auch Verbraucher den vollen Nutzen aus diesen Möglichkeiten ziehen können. Durch die Dienstleistungsrichtlinie soll es insbesondere Dienstleistungserbringern erleichtert werden, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend zu erbringen oder sich in einem anderen EU-Mitgliedstaat niederzulassen. Ein Kernstück der Richtlinie ist die Verpflichtung zur Einrichtung eines so genannten "Einheitlichen Ansprechpartners" als Informations- und Weiterleitungsstelle für Dienstleistungserbringer aus EU-Mitgliedstaaten und aus Österreich.
Aufgrund ihres übergreifenden Charakters als "Querschnittsrichtlinie" betrifft die Dienstleistungsrichtlinie sowohl Bereiche, die in den Kompetenzbereich des Bundes, als auch solche, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Die in die Kompetenz des Landes Oberösterreich fallenden dienstleistungsrelevanten Materiengesetze wurden schon frühzeitig einer genauen Prüfung unterworfen und im Rahmen des Oö. Dienstleistungsrichtlinie-Anpassungsgesetzes (LGBl. Nr. 30/2010 vom 30.4.2010) geändert; das Land Oberösterreich hat daher mit diesem Datum grundsätzlich Vollumsetzung der Dienstleistungsrichtlinie erreicht.
Grundlage für diese Position war die vom Bund vertretene und sowohl von der Landesamtsdirektoren- und der Landeshauptleutekonferenz geteilte Auffassung, dass jene "horizontalen" Elemente der Dienstleistungsrichtlinie, die nicht im Rahmen eines Materiengesetzes umgesetzt werden können, durch den Bund in einem eigenen "Horizontalgesetz" in Gesetzesform gebracht werden sollte. Kernstück dieses Gesetzes sollte die Einrichtung des Einheitlichen Ansprechpartners bei den Ämtern der Landesregierung sein; aufgrund dieses - wiederum von Landesamtsdirektoren- und Landeshauptleutekonferenz gutgeheißenen - Eingriffs in die Organisationskompetenz der Ländern war jedoch die Verankerung einer Kompetenzdeckungsklausel und somit einer Verfassungsbestimmung im Gesetz notwendig, was wiederum eine Verfassungsmehrheit im Nationalrat erforderlich machte.
Die Regierungsvorlage betreffend das "Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Dienstleistungen (Dienstleistungsgesetz – DLG) und ein Bundesgesetz über das internetgestützte Behördenkooperationssystem IMI (IMI-Gesetz) erlassen, das Preisauszeichnungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert und einige Bundesgesetze aufgehoben werden" (317. d.B.) wurde zwar in parlamentarische Behandlung genommen, konnte jedoch auch nach mehr als zwei Jahren nicht die notwendige Verfassungsmehrheit im Nationalrat erreichen.
Ein Gesetzesbeschluss ist daher bisher nicht zustande gekommen. In der Zwischenzeit hat die Europäische Kommission wegen der Nichtumsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet, weshalb nun – angesichts der Unmöglichkeit, im Nationalrat die erforderliche Verfassungsmehrheit zu finden – nach Alternativen gesucht werden muss, um die Verhängung empfindlicher finanzieller Sanktionen von Österreich durch Europäischen Gerichtshof (EuGH) noch abzuwenden zu können.
Es ist davon auszugehen, dass im Parlament ein Abänderungsantrag eingebracht wird, der den Anwendungsbereich des geplanten Bundes-Dienstleistungsgesetzes auf den Bundesbereich beschränkt und die Länder die in ihre Zuständigkeit fallenden Elemente nun landesgesetzlich regeln müssen. Bei der Landesamtsdirektorenkonferenz vom 20. September 2011 wurde daher ein Tätigwerden der Länder vereinbart. Dementsprechend sollen mit dem vorliegenden Entwurf jene Teile des ursprünglich geplanten Bundes-Dienstleistungsgesetzes umgesetzt werden, die in die Länderzuständigkeit fallen, und deren Umsetzung über mehrere Jahre hinweg durch den Bund zugesichert wurde. Die vermeintliche Verspätung bei diesem Teil der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie (die Umsetzungsfrist endete am 28. Dezember 2009) erweist sich daher bei näherer Betrachtung als eine Situation, in die das Land Oberösterreich vollkommen schuldlos und durch das alleinige Versäumnis des Nationalrates geraten ist. Nichtsdestotrotz macht es der Ernst der Lage und die drohende Verurteilung durch den EuGH für das Land Oberösterreich notwendig, nun schnell zu reagieren und die erforderliche Landesgesetz zu beschließen.
Als wesentliche Punkte dieses Gesetzes sind anzuführen:
- Beim Amt der Oö. Landesregierung wird ein einheitlicher Ansprechpartner als Anlaufstelle für Dienstleistungserbringer aus EU-Mitgliedstaaten und aus Österreich eingerichtet.
- Der einheitliche Ansprechpartner soll die Funktion einer besonders qualifizierten „Poststelle“ haben, die die bei ihr einlangenden Anbringen an die zuständige Stellen (dh die zuständigen Behörden) weiterleitet. Dem einheitlichen Ansprechpartner sollen also keine behördlichen Entscheidungsbefugnisse zukommen; diese sollen vollständig bei der zuständigen Behörde verbleiben. Die Dienstleistungswilligen ziehen daraus den Vorteil, sich nur mehr an eine Stelle wenden zu müssen, was insbesondere beim Erfordernis mehrerer Genehmigungen unterschiedlicher Behörden auf Bundes-, Landes- und Gemeindebehörden eine Erleichterung darstellt.
- Die Einbringung eines Antrages beim einheitlichen Ansprechpartner ist fristauslösend und kann bei Untätigkeit der Behörde in bestimmten Materien die Grundlage für eine Genehmigungsfiktion darstellen. Der Gesetzgeber kann aufgrund der in diesem Landesgesetz vorgesehenen „opt in“-Klausel solche Genehmigungsfiktionen in den Materiengesetzen vorsehen.
- Der einheitliche Ansprechpartner hat weiters die Aufgabe, potentielle Dienstleistungserbringer über die Voraussetzung einer Dienstleistungserbringung in Oberösterreich zu beraten.
- Das Verfahren über den einheitlichen Ansprechpartner stellt nur ein Serviceangebot an die Beteiligten dar. Diesen steht es frei, sich mit schriftlichen Anbringen entweder über den einheitlichen Ansprechpartner oder direkt an die zuständige Behörde zu wenden.
- Das Verfahren über den einheitlichen Ansprechpartner soll auf Verlangen in elektronischer Form abgewickelt werden können.
- Der Anwendungsbereich des Verfahrens über den einheitlichen Ansprechpartner ist auf das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren beschränkt.
- Die Verpflichtung zur grenzüberschreitenden Verwaltungszusammenarbeit wird festgelegt und eine Verbindungsstelle für den Fall eingerichtet, dass im Zuge der Verwaltungszusammenarbeit Schwierigkeiten zwischen den Behörden auftreten.