Ausgangslage
Wie auch andere Anlagenbetreiber musste sich der Reinhaltungsverband (RHV) Oberach Gedanken zur zukünftigen Verwertung des auf der Kläranlage anfallenden Klärschlamms machen. Die bisherige Ausbringung des flüssigen Klärschlamms in die Landwirtschaft wurde und wird immer problematischer, Abnehmer für Flüssigschlamm werden rarer. So wurde bereits in der Vergangenheit ein Großteil des anfallenden Schlamms mit mobilen Pressen entwässert. Das war zum einen teuer und zum anderen mangelte es an Lagermöglichkeiten für den entwässerten Schlamm. Immerhin war und ist mit einer anfallenden Schlammmenge von rund 60 Tonnen Trockenschlamm pro Jahr (tTS/a) zu rechnen.
Um zu einer langfristigen Lösung für die Klärschlammverwertung zu kommen, wurde eine Variantenuntersuchung in Auftrag gegeben. Diese ergab, dass die "Eindickung und landwirtschaftliche Klärschlammverwertung" auch weiterhin die kostengünstigste Variante darstellt. Im Speziellen wurde eine Vererdung angedacht, da diese den großen Vorteil der wesentlich geringeren Schlammentsorgungsmengen und damit geringeren Entsorgungskosten hat.
Wesentliche Voraussetzung für eine Klärschlammvererdungsanlage ist ausreichend viel Grund. Diesen konnte sich der RHV Oberach im Zuge des Baues des Hochwasserrückhaltebeckens Hof durch den Wasserverband Antiesen im unmittelbaren Anschluss an das Kläranlagenareal sichern.
Verfahrensbeschreibung Klärschlammvererdung
Die Klärschlammbehandlung in schilfbepflanzten Schlammvererdungsbeeten ist vom Grundkonzept aus den konventionellen Schlammtrocknungsbeeten abgeleitet. Ein Vererdungsbeet ist ein zum Untergrund hin abgedichtetes Becken und verfügt über einen Drainagekörper, auf dem eine Pflanzsubstratschicht aufgebracht wird. In diese Schicht werden Phragmites australis gepflanzt. Nach dem Anwachsen der Jungpflanzen erfolgt die Beschickung mit Klärschlamm. Dieser hat in der Regel einen Trockensubstanzgehalt (TS), der ein noch leichtes Fließen ermöglicht, sodass sich der Schlamm, der in 5 bis 20 cm Mächtigkeit aufgepumpt wird, gleichmäßig ausbreiten kann.
Der Feststoff des Klärschlammes verbleibt während der Beetpassage in den Vererdungsbeeten. Das Schlammwasser, das sogenanntes Filtrat, sickert durch das Beet und wird über ein am Boden verlegtes Drainagesystem abgezogen und in die Kläranlage zurückgeführt. Hier kann eine Entwässerungsleistung bis zu einer Trockensubstanz von rund 20% erreicht werden. Das Material wird nahezu stichfest. Durch die Schilfbepflanzung wirken noch weitere die Entwässerung fördernde Mechanismen, Details dazu finden Sie unter "Spezielle Eigenschaften der Bepflanzung".
Je nach Freibord und Schlammqualität erfolgt die Beschickung der Beete über 6 bis 12 Jahre. Im Anschluss an die mehrjährige Beschickungsphase folgt eine in der Regel einjährige Trocknungs- und Vererdungsphase, während der das Material auf >30% Trockensubstanzgehalt trocknet. Am Ende der Trocknungs- und Vererdungsphase erfolgt die Räumung des mineralisierten Schlamms und des Schilfs mit einem Bagger und Dumper.
Für eine landbauliche oder landwirtschaftliche Verwertung wird das Räumgut auf Mieten nachgelagert/kompostiert. Das Endprodukt ist eine erdige Substanz mit bis zu 50% Trockensubstanz, die in den natürlichen Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann.
Technische Daten:
Baubeginn: 25.04.2016
Funktionsfähigkeit: 1.08.2016
Bauende: 31.12.2016
Investitionskosten: 535.000 Euro
Bauherr: Reinhaltungsverband Oberach
Planung und Bauaufsicht: DI Johann Hitzfelder & DI Franz Pillichshammer ZT-GmbH, Vöcklabruck
Die hohe Evapotranspirationsleistung (Verdunstung von Wasser aus Tier- und Pflanzenwelt sowie von Boden- und Wasseroberflächen) von Schilf gleicht zunächst die durch den Niederschlag hervorgerufene stetige Wiederbefeuchtung des eingebrachten Materials aus. Bei ausreichender Wasserzufuhr kann die Verdunstungsleistung von Phragmites australis 1.500 bis 1.800 mm/Jahr erreichen.
Die Bewegung der Halme im feuchten, pastösen Schlamm führt zu einer mechanischen Entwässerung, vergleichbar einem Krählwerk. Dies bedeutet zugleich eine Vergrößerung der an der Evaporation beteiligten Oberfläche.
Durch pflanzentypische Ausscheidungen aus den Wurzeln (Ausflockung von Huminsäure-Solen) wird die Wasserabtrennung des Klärschlamms, bedingt durch eine Veränderung der Kolloidstruktur, erleichtert.
Die Bildung von Schrumpfrissen wird begünstigt, insbesondere wird auch durch die Transpiration der Pflanzen stetig Wasser, auch aus tieferen Schichten, entzogen. Der häufig mit der typischen Krustenbildung auf Schlammtrockenbeeten verbundene Abriss des kapillaren Wasseraufstieges wird verhindert.
Der kontinuierlich über den Schilfhalm in die Wurzel und von dort an die Wurzeloberflächen erfolgende Sauerstoffaustrag führt mittelfristig zur Umkehrung der Redoxpotentialverhältnisse vom negativen zum deutlich positiven Redoxpotential. Hiermit einher geht die kontinuierliche Umwandlung anaerober, reduzierter Bereiche in aerobe Zonen, verbunden mit der Änderung der mikrobiologischen Biozönose hin zu aeroben Mikroorganismen. Dies bedeutet gleichzeitig die Abtötung der pathogenen Keime, deren Existenz an anaerobe Verhältnisse geknüpft ist.
Nicht zuletzt unterscheidet sich das Sickerwasser schilfbepflanzter Schlammvererdungsbeete erheblich in Qualität und Quantität vom Sickerwasser herkömmlicher Schlammtrockenbeete.
Mit steigender Schlammsäule im Vererdungsbeet wird in den überstauten Halmknoten (Nodien) das Wachstum von Seitenwurzeln induziert. Eine „nach oben" gerichtete, dem aufgelandeten Schlamm folgende Durchwurzelung ist so in allen Bereichen sichergestellt.
Wegen des schlechteren Stabilisierungsgrades des Klärschlamms der Kläranlage des RHV Oberach im Vergleich zum Klärschlamm der Kläranlage Eberschwang und der Kläranlage des RHV Untere Gurten, wo Klärschlammvererdungsanlagen bereits seit 2006 bzw. 2009 in Betrieb sind, wurde die Klärschlammvererdungsbeetfläche mit einer Flächenbelastung von 25 statt 30 kgTS/m².a bemessen.
Geplant wurden 3 Klärschlammvererdungsbeete mit einer Nutztiefe von 1,6 m und einer Fläche von je 800 m² am Beetgrund, in Summe 2.400 m² für 60 tTS/a bzw. 3.000 m³/a mit 2% TS und einer Nachlagerfläche mit 1.000 m². Die gesamte Anlagefläche beträgt rund 5.000 m².
Ausgehend von der Bemessungsmenge von 60 tTS/a werden ca. 8 Jahre nach Inbetriebnahme im Mittel der folgenden Jahre 48 tTS/a bzw. 120 t/a mit 40% TS zu entsorgen sein.
Die Klärschlammvererdungsbeete sind in Erdbauweise hergestellte Becken mit Böschungen 1:1,5 auf der Beetseite und 1:2 oder flacher auf der Außenseite.
Die Abdichtung der Vererdungsbeete zum Untergrund erfolgte durch 2,5mm starke verschweißte PE-HD-Abdichtungsbahnen, wie sie für die Abdichtung von Deponien verwendet werden. Diese Abdichtung ist in den bei der späteren Räumung befahrbaren Bereichen beidseitig mit einem Schutzvlies geschützt.
Für die Sickerwasserabfuhr ist ein 0,18-0,25 m mächtiger Drainageschotterkörper geeigneter Qualität und Körnung eingebaut, in den je Beet ein Drainagerohr (DN 100) verlegt ist.
In die 10 cm dicke Pflanzsubstratschicht wurden rd. 40.000 Schilfpflanzen gesetzt.
Für die Beschickung der Vererdungsbeete wurde eine Tauchmotorpumpe in den Schlammsilo-Vorschacht und 3 elektrisch betriebene Schieber im Entwässerungspumpwerk installiert.
Für die Rückführung des Sickerwassers aus den Vererdungsbeeten und des Oberflächenwassers von der Nachlagerfläche wurde ein Entwässerungspumpwerk errichtet.
Die Nachlagerfläche ist mit Dichtasphalt zum Untergrund abgedichtet.
Der Aufwand für den Betrieb einer Klärschlammvererdungsanlage ist sehr gering. Erforderlich sind
- arbeitstäglich Inspektion der Vererdungsanlage im Rahmen des Betriebsrundganges
- einmal monatlich Beschickung der Vererdungsbeete nach dem Beschickungsplan und Schließen der Beetentwässerungsschieber für einige Tage, wenn zu viel Unkraut aufkommt; erforderlichenfalls Anpassung des Beschickungsplanes zwecks Anpassung an Witterungsbedingungen
- alle 3 Monate Funktionskontrolle der Pumpen, Schieber, Niveaumessungen, Störmeldeübertragung
- einmal jährlich Sichtkontrolle des Schlammsilos, Schlammsilo-Vorschachtes und Pumpschachtes, Sicht- und Funktionskontrolle der Beschickungspumpe, Entwässerungspumpe, Schieber und sonstige Armaturen, Füllstandsmessungen, Fernwirkanlage
- erstmalig nach ca. 8 Jahren, dann alle 2 - 3 Jahre Organisation der Räumung eines Klärschlammvererdungsbeetes
Geruchsemissionen treten nur bei der Beschickung (<1% der Jahresstunden) und dabei nur in geringem Umfang auf.
Der Energieverbrauch für den Betrieb und letztlich auch für die Räumung und Abtransport des vererdeten Klärschlamms ist sehr gering.
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