Gesetze sollen klar, nachvollziehbar und durchschaubar sein. Das verlangen die Bürgerinnen und Bürger zu Recht vom Staat- und diesen Leitsatz bemüht sich der Oö. Landtag in seiner Gesetzgebung einzuhalten.
Um zum Wohl des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger optimale Gesetze zu schaffen, hat der Oö. Landtag ein "Leitbild für die Erarbeitung von Normen" beschlossen, das den Abgeordneten Leitfaden bei ihrer Arbeit in den Ausschüssen und Unterausschüssen sein soll.
Das Leitbild wurde als Fragenkatalog formuliert und basiert auf folgenden Eckpunkten:
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stärkere Beachtung der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, z.B. Aufsichtspflicht der Eltern, Verantwortung zur Verhütung gewisser Gefahrensituationen usw., sofern nicht Interessen des Gemeinwohles oder der Schutz des Einzelnen durch die Gemeinschaft vorrangig zu behaupten sind,
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Verzicht auf einzelfallbezogene Regelungen und Erweiterung der Ermessensbestimmungen, welche insbesondere durch Zielbestimmungen des Gesetzes vorherbestimmt werden,
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verständliche Sprache,
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Berücksichtigung der Kosten, die mit den einzelnen Maßnahmen verbunden sind.
Der Oö. Landtag hat am 28. Jänner 1999 folgenden Beschluss gefasst:
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Der Oö. Landtag wird künftig bei allen von ihm zu beschließenden Gesetzen eine kritische Durchleuchtung der vorliegenden Gesetzesentwürfe anhand des nachstehend ersichtlichen Leitbildes durchführen.
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Der Oö. Landtag ersucht die Oö. Landesregierung, künftig bei allen Landesgesetzen, die als Regierungsvorlagen dem Oö. Landtag vorgelegt werden, und bei allen von der Oö. Landesregierung zu beschließenden Verordnungen eine kritische Durchleuchtung der vorliegenden Gesetzes- und Verordnungsentwürfe anhand des nachstehend ersichtlichen Leitbildes durchzuführen.
Ergänzend dazu hat der Oö. Landtag am 5. Juli 2001 folgenden weiteren Beschluss gefasst:
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Das am 28. Jänner 1999 vom Oö. Landtag verabschiedete Leitbild für die Erarbeitung von Normen wird um den Gesichtspunkt des "Gender mainstreaming" ergänzt.
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Der Oö. Landtag ersucht die Oö. Landesregierung, künftig bei allen Landesgesetzen, die als Regierungsvorlagen dem Oö. Landtag vorgelegt werden sowie bei allen von der Oö. Landesregierung zu erlassenden Verordnungen und sonstigen Rechtsvorschriften - entsprechend dem Leitbild für die Erarbeitung von Normen - eine kritische Überprüfung der Entwürfe unter den Gesichtspunkten des "Gender mainstreaming" vorzunehmen. Darüber hinaus wird die Oö. Landesregierung ersucht, das geltende oö. Landesrecht unter dem genannten Gesichtspunkt zu durchleuchten und allenfalls daraus sich ergebende notwendige Änderungen einzuleiten oder durchzuführen.
Leitbild für die Erarbeitung von Normen
Die Aufgaben eines modernen Rechtsstaats verlangen eine umfangreiche Normgebungstätigkeit. Einerseits müssen die geltenden Regelungen an die sich immer schneller verändernden Lebensverhältnisse angepasst werden, andererseits sind verschiedene Lebensbereiche mit zu vielen und zu detaillierten Regelungen "belastet". Daraus ergibt sich ein Normenbedarf auf der einen und eine Überreglementierung auf der anderen Seite. Ziel ist es daher, eine zum Wohl des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger angemessene und optimale Normendichte zu erreichen.
Es ist Pflicht des Normgebers, zu detaillierte Normen zu vermeiden und verständliche Regelungen zu schaffen. Klare, wirksame und durchschaubare Regelungen erhöhen die Rechtssicherheit und die Akzeptanz des Rechts. Es muss daher neben der strengen Prüfung, ob ein Rechtsetzungsvorhaben überhaupt notwendig ist, verstärktes Augenmerk darauf gerichtet werden, dass die Einzelregelung einfacher, verständlicher und zum Teil auch wirksamer ausgestaltet wird.
Als Hilfestellung für diese Prüfung dient das Leitbild, das als Fragenkatalog formuliert ist:
Fragenkatalog für die Erstellung von Landesgesetzen
I. Handlungsbedarf:
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Was sind die Regelungsziele und werden diese Ziele durch die beabsichtigte Regelung erreicht?
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Ist die Regelung unverzichtbar?
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Sind nachhaltige Auswirkungen auf andere Rechtsgebiete zu erwarten?
II. Alternativen:
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Kann die beabsichtigte Regelung im Hinblick auf die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger (z.B. Verhütung von Gefahrensituationen), sofern nicht das Gemeinwohl oder der Schutz des Einzelnen durch die Gemeinschaft erforderlich ist, unterbleiben?
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Kann das beabsichtigte Regelungsziel durch gelindere Maßnahmen (z.B. finanzieller Anreiz, Unterstützung von Selbsthilfe, Öffentlichkeitsarbeit) erreicht werden?
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Muss die Verwaltung tätig werden oder können Private als "Beliehene", Vereine usw. diese Aufgabe grundsätzlich besser und/oder kostengünstiger übernehmen?
III. Auswirkungen:
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Haben die geplanten Regelungen unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Gruppen der Gesellschaft, insbesondere auch Frauen und Männer ("Gender mainstreaming")?
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Sind die Unterschiede sachlich gerechtfertigt? Wie kann die Chancengleichheit hergestellt oder sichergestellt und wie können benachteiligende Unterschiede verhindert werden?
IV. Regelungsumfang:
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Kann durch Zieldefinitionen und Verallgemeinerungen (z.B. Generalklauseln, unbestimmte Gesetzesbegriffe, Ermessenseinräumung) eine zu große Regelungstiefe (Detailregelungen) vermieden werden?
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Muss eine Spezialnorm geschaffen werden oder reichen bestehende allgemeine Normen (z.B. im Verfahrensrecht) aus?
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Können Detailregelungen durch Verordnungen und Erlässe erfolgen?
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Sind beabsichtigte Normen bereits unter anderen Gesichtspunkten (z.B. in anderen Bundes- bzw. Landesgesetzen, Verordnungen, Ö-Normen) geregelt oder sollen beabsichtigte Normen durch Änderungen in anderen Gesetzen erfolgen?
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Inwieweit sind zur Deckung eines tatsächlichen Informationsbedarfes gesetzlich normierte Berichtspflichten der Bürgerinnen und Bürger oder der Verwaltung (z.B. Landesregierung) notwendig?
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Kann auf die Einrichtung neuer Behörden, Beiräte, usw. verzichtet werden?
V. Geltungsdauer:
Ist in begründeten Fällen eine zeitlich befristete Regelung möglich und sinnvoll?
VI. Bürgernähe:
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Sind Belastungen der Bürgerinnen und Bürger unverzichtbar (z.B. Verbote, Genehmigungspflichten, Anzeigepflichten, persönliches Erscheinen bei der Behörde) oder durch geringere ersetzbar?
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Ist die beabsichtigte Regelung in ihrer sprachlichen Gestaltung einfach und klar?
VII. Kosten:
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Welche Kosten (Nominal-, Vollzugs- und volkswirtschaftliche Kosten) sind durch die beabsichtigte Regelung zu erwarten?
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Stehen die zu erwartenden Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum materiellen und ideellen Nutzen?